Brunners Welt: "Stars und Sternchen"

"Stars und Sternchen"

Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören

Von Peter Tiefenbrunner  

Sendung: Freitag 10.05.2024 16:45 Uhr

Nr. 987

Nicht dass Sie denken, ich wüsste nicht, dass ich einer bin. Also ein alter weißer Mann. Doch, weiß ich schon. Aber deswegen gleich beige tragen, lautstark mein Recht einfordern, das Schnitzel mit Paprika-Soße so zu nennen wie es nun mal jahrzehntelang hieß und meine kostbare Wählerstimme dem Bündnis Dieter Nuhr geben? Nö. Muss doch nicht sein! Beige ist keine Farbe sondern ein Zustand, das erwähnte Paprika-Schnitzel keine Nahrung – egal wie man es nennt – und das BDN (Bündnis Dieter Nuhr) gibt’s gar nicht.

Noch nicht. Kann schon sein, dass der Dieter demnächst seinen bislang außerparlamentarischen Einsatz für die maskuline deutsche Sprache auch in den Bundestag bringen will. Warum auch nicht – Sahras Bündnis hat auch nicht mehr inhaltlichen Tiefgang und hat zumindest in Thüringen schon 16 % auf dem Prognosenzettel. Andererseits: Vielleicht braucht es gar keine neuen parteiähnlichen Zusammenschlüsse, die CDU beispielsweise gibt sich ja große Mühe, weite Teile der populistischen Agenda abzudecken. Bürgergeld-Bashing, Islam-Verunglimpfung und Flüchtlings-Abschreckung sind ja schon ordentlich im neuen Grundsatzprogramm festgedübelt. Und was die Querfront gegen Doppelpunkt, Unterstrich, Sternchen und Binnen-I angeht, ist die Union auch schon gut auf dem Weg zurück in die Fünfziger.

Nicht dass man solche sprachlichen Experimente damals schon im Auge hatte, aber die innere Haltung ist doch wieder da. Die der Jahre, als die größten Probleme der Frau noch lauteten: Was ziehe ich an? Was koche ich? Und: Wird das Haushaltsgeld dafür reichen? Zurück in die Zukunft – oder mit deutschem Dichtgut: Es braust ein Ruf wie Donnerhall, wie Tiktok-Sprech und Wörterschwall: Zu Genderwahn ein deutsches Nein! Wer will der Sprache Hüter sein? Klar, dass da auch die saarländische CDU nun endlich „Hier“ geschrien hat. Nach Bayerns CSU und Hessens Koalitions-Verbot der Genderei schon ein wenig abgehängt, hat sich jetzt Raphael Schäfer, die Parlamentarische Geschäftsführer:in der CDU-Fraktion im Landtag des Saarlandes ermannt und verkündet, bei einer zukünftigen CDU-Regierung würden all die Gender-Sonderzeichen verboten! Jedenfalls in Ämtern, Behörden, Schulen und Hochschulen!

Weil nämlich, laut einer Umfrage vom Dezember, 81 % der Saarländer:innen die Gender-Zeichen ablehnten! Und, so sagt’s die Schäferin, das sei „ein Beleg dafür, dass die Menschen ‚ihre staatsbürgerlichen Freiheiten‘ nicht durch ‚aufoktroyierte Sprachkonventionen‘ beeinträchtigt sehen möchten. Das ist die Freiheit, die wir meinen. Allerdings gibt es im Saarland nun gar keine Regelungen zum Gendern, die irgendwem irgendwas „aufoktroyieren“ würden. Jede Institution und jeder Bürger kann das halten wie eine Dachdeckerin. Und die hält’s nun mal, wie sie’s grad will. Somit sind weit und breit die einzigen, die in puncto Gendern irgendwas „aufoktroyieren“ respektive verbieten wollen, die Freiheitskämpfer von der CDU. Und merken’s dabei nicht einmal!

Meine Nachbarin Barscheck fragt sich kopfschüttelnd, warum nur all diese zornigen Männlein sich so furchtbar aufregen über Geschlechter-Vielfalt, Gendersternchen und Toiletten für nicht-binäre Menschen. Wovor haben die Angst? Vielleicht davor, dass ihnen jemand aufs Dach steigt? Und zwar nicht nur die Dachdeckerinnen? Vielleicht gehts aber auch ganz profan um erhoffte Wählerstimmen. Wähler - hier wird nicht gegendert. Frauenstimmen - so hofft die Nachbarin - wird’s für solcherlei tote Hosen wohl nicht geben.


Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 10.05.2024 und in "Der Morgen" am 11.05.2024 auf SR 2 KulturRadio.

 


Brunners Welt

Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!

Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.

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